Geschichte
Die Gründung der Thomas-Gilde ist eng mit der direkten Nachkriegszeit verknüpft. Im Frühjahr 1947 war Pater Mende SJ zu Gast bei dem Verleger Joshy Todt. Die beiden erkannten, dass die Kirchen neue Wege finden mussten, um für ihr Welt- und Menschenbild zu werben. Dies war besonders wichtig in einer Zeit, in der die rassistisch-chauvinistische „Weltanschauung” der NS-Partei noch frisch in den Köpfen der Menschen war.
Vision
Aus diesem Gespräch entstand eine „Vision”: die Notwendigkeit, eine Einrichtung zu schaffen, die, von herausragenden Persönlichkeiten getragen, nicht nur religiöse Informationen bereitstellen, sondern auch kulturelle und geistige Lebenshilfe bieten und den Menschen Hoffnung und Orientierung in einer Zeit der Unsicherheit und des Wandels geben sollte.
Die Suche nach den ersten Mitgliedern war eine Herausforderung. Dem Gründungsausschuss gehörten schließlich elf Herren an, darunter hochrangige Persönlichkeiten aus verschiedenen Berufsfeldern.
Lebensprinzip der Gesellschaft
Trotz aller Bemühungen gelang es jedoch nicht, einen Kreis zu bilden, der auch finanziell stark genug gewesen wäre, die ursprüngliche Idee eines katholischen Informations- und Repräsentationshauses zu verwirklichen. Dennoch schwebte den Gründungsmitgliedern so etwas wie eine „Loge” vor – eine verschworene Gemeinschaft, die durch gegenseitige Hilfe es dem Einzelnen und damit der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern sollte, wirksamer dabei mitzuwirken, dass Religion und Kirche wieder „Lebensprinzip der Gesellschaft” werden konnten.
Die Mitglieder der Gilde sollten reife und erfahrene Personen sein, die eine angemessene gesellschaftliche oder berufliche Position innehaben. Sie sollten sich nicht mit dem Nazismus oder den Idealen des Dritten Reichs verbunden haben. Und sie mussten praktizierende Katholiken sein. Die Gilde sollte bewusst keine Organisation im Sinne des Kirchenrechts sein, da man annahm, dass die formelle Unabhängigkeit von der Amtskirche es der Gilde erleichtern würde, unbelasteter und effektiver zu arbeiten.
Heiliger Thomas
Die Namensgebung war das Ergebnis einer Vielzahl von Umständen und Überlegungen. Kurz vor ihrer Gründung erfuhr die Gruppe von einer ähnlichen Organisation in München, die sich „Christliche Loge“ nannte. „Loge“ wollte man sich jedoch nicht nennen, da es in Hamburg bereits neben sogenannten „humanistischen“ auch „christliche“ Freimaurerlogen gab. Man entschied sich daher für die Bezeichnung „Gilde“, da dies in der Hansestadt einen positiven Klang hatte. Schließlich wurde als Name „Thomas-Gilde“ festgelegt, da die Gründung am Festtag des Heiligen Thomas (7. März) stattfinden sollte. Trotzdem fügte die Gruppe das diskrete Präfix „C. L.“ für „Christliche Loge“ dem Namen bei, um zu verdeutlichen, dass sie sich als legitime Nachfolger der rechtgläubigen Dombauhütten sah, die sich als Bauleute am geistigen Dom ihrer Zeit verpflichtet fühlten. Die Gründung erfolgte schließlich am 7. März 1949 im Vortragssaal des alten Shell-Hauses am Alsterufer.
Inspirierend und informierend
Die anfängliche Vorstellung, dass die Gruppe als ein gestaltungsfähiger Faktor im Leben Hamburgs und darüber hinaus dienen könnte, erwies sich angesichts der turbulenten Entwicklungen im Land als unrealistisch. Mit der Bildung des „Cartell der Christlichen Logen Deutschlands“ im Juli 1949 änderte sich das Selbstverständnis der Gilde allmählich. Man erkannte, dass die Gruppe an sich nicht als ein Machtfaktor agieren konnte, wie es zunächst angenommen wurde, sondern nur für den Einzelnen eine anspornende, inspirierende und informierende Funktion einnehmen konnte.
In den ersten Jahren bewies die Thomas-Gilde ihre Strahlkraft, indem sie bei der Gründung weiterer Gruppen in Bremen, Hannover, Kiel, Lübeck, Köln und Osnabrück beteiligt war. Die Gilde wirkte auch bei der Einführung des „Club Berlin“ und des „Fuggerbundes Münster“ in das Cartell mit, beide bestanden bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus mit einer ähnlichen Idee.